Um einem Prüfverfahren vorzubeugen oder sich in einem solchen zu verteidigen, sind vor allem die folgenden Maßnahmen zu empfehlen:
- Die Verordnung von Verbandmitteln gemäß des Wirtschaftlichkeitsgebots
- Eine lückenlose Dokumentation zur Beurteilung der Wunde und des Behandlungskonzeptes
Leistungsbeurteilung laut Wirtschaftlichkeitsgebot
Überschreitet das Verordnungsverhalten den Fachgruppenschnitt, so ist es wichtig, die Behandlungsdiagnosen differenziert zu kodieren.
Leistungen wie Verbandmittelverordnungen sind im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots (§12 SGB V):
- „ausreichend“, wenn sie nach Umfang und Qualität hinreichende Chancen für eine Heilung bieten und einen Mindeststandard gewährleisten.
- „zweckmäßig“, wenn sie zur Herbeiführung des Heilerfolgs geeignet und hinreichend wirksam sind.
- „notwendig“, wenn sie unentbehrlich, unvermeidlich oder unverzichtbar sind.
- „wirtschaftlich“, wenn die gewählte Therapie im Vergleich zu anderen ein günstiges Verhältnis von Kosten und Nutzen aufweist.
Insbesondere der letzte Punkt „wirtschaftlich“ muss bei einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Verbandmittelverordnungen auch die Folgen einer mit höheren Kosten verbundenen Qualität von Medizinprodukten und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Effekte berücksichtigen.
Wirtschaftlich relevante Effekte von hochwertigen Verbandmitteln können sein:
- Senkung von Schmerzmittel- oder Antibiotikagabe,
- Senkung der Verbandwechselfrequenz durch längere Standzeit der Verbände
- bessere Anwendbarkeit der Verbandmittel z.B. durch bessere Haftung am Wundrand, Vermeidung des Aufweichens der Wundränder (Mazeration)
- Vermeidung von Verletzungen im Wundgrund durch leichteres Lösen der Verbandmaterialien beim Verbandwechsel z.B. durch Silikonbeschichtung
- Überführung der Wundsituation in ein weniger aufwendiges Verbandmittelregime
- der Wechsel von bislang frustranen Behandlungsversuchen zu einem neuen Verbandmittelkonzept
- die Vermeidung von Komplikationen, die in der Vergangenheit bereits aufgetreten sind
- die Unverträglichkeiten des Patienten auf bestimmte Verbandmittel
- der Patientenwunsch nicht operiert zu werden
- die Vermeidung eines Krankenhausaufenthalts
Um sich auf ein späteres Prüfverfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzubereiten, sollten alle hochaufwendigen Fälle mit hohem Verordnungsvolumen in einer jährlichen Tabelle gesammelt werden. Diese Tabelle kann eine sehr hilfreiche Unterstützung bei der Auffindung relevanter Fälle zur Anerkennung einer individuellen Praxisbesonderheit in einem bis zu zwei Jahre späteren Prüfverfahren sein. Wenn die patientenspezifische Dokumentation das nicht bereits berücksichtigt, sollten hier die relevanten Entscheidungsgründe für eine vermeintlich aufwendige Verbandmittelversorgung festgehalten werden.
Für den Nachweis der eigenen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen in der Behandlungssituation sollte das Behandlungskonzept zur Verbandmittelversorgung wie folgt dokumentiert werden:
- aktuelle Wundsituation
- zu erwartende Komplikationen und patientenindividuelle Besonderheiten (z.B. im häuslichen Umfeld)
- Behandlungsziel für die nächsten Phase der Behandlung (z.B. schmerzarme Verbandwechsel, Reduzierung der Geruchsbelastung, Reduzierung der Entzündung, Vermeidung einer Amputation, Mobilisierung des Patienten)
- das dem Behandlungsziel folgende Verbandmittelkonzept mit zu erwartender Zeitplanung bis zur Prüfung und ggf. Rückkehr zu günstigerer Versorgung bei erfolglosem Behandlungsversuch
- Patientenwünsche und -ablehnungen (z.B. der notwendigen Krankenhausbehandlung)
- Maßnahmen zu heilungsförderndem Verhalten des Patienten (z.B. Schulung durch den Wundexperten)
- Rückmeldungen von Versorgungspartnern (wie Pflegedienst oder Wundexperten)
- Siehe auch: wirtschaftlich relevante Effekte von hochwertigen Verbandmitteln
Zur Prüfung des Therapieerfolgs sollte die Wundsituation regelmäßig, mindestens vierwöchig kontrolliert und dokumentiert werden. Ggf. können für eine Stellungnahme im Prüfverfahren die Wunddokumentationen von Versorgungspartnern wie Pflegedienste oder Sanitätshäuser hinzugezogen werden.
Weitere Aspekte zur Vermeidung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen sind u.a.
- Praxisverwaltungssoftware (PVS) auf Funktion eines Wirtschaftlichkeitsrechners prüfen (prozentuale Ausschöpfung des Budgets anhand von Richtgrößen)
- Nutzung der durch die KV angebotenen quartalsweisen Verordnungsübersichten
- keine Mengen verordnen, die über eine monatliche Versorgung hinausgehen
- Patienten nach bereits vorhandenen Verbandmitteln fragen und diese standardgerecht in der Behandlung des Patienten verbrauchen
- Sprechstundenbedarfsware nur in der Erstversorgung einsetzen, danach Verbandmittel über Einzelverordnung einbeziehen
Ampellisten
Sogenannte Ampellisten sind von Krankenkassen oder KVen herausgegebene Hinweislisten mit Fokus auf die unterschiedlichen Preise von Verbandmitteln, die lediglich einen Empfehlungscharakter haben. Verordner erhalten durch sie keine Garantie für Regressfreiheit oder Befreiung von der Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Ampellisten sind in der Regel unvollständige Produktübersichten, was dazu führt, dass nicht gelistete Produkte bei ärztlichen Entscheidungen nicht berücksichtigt werden, Preise auf Internetrecherchen basieren und deshalb teils falsch oder nicht aktuell sind und Preisunterschiede bei der Einlösung der Verordnung in Apotheken oder Sanitätsfachhändlern entstehen können. Zudem stellen die Listen nur eine Kostenbetrachtung auf Produktebene dar. Für die erfolgreiche Wundbehandlung ist jedoch eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten und seiner Wunde notwendig.
Empfehlung:
- Begründen Sie die Verordnung in der Patientenakte medizinisch und wirtschaftlich (z.B. durch Risiken, die Verbandwechselfrequenz oder auf Patientenwunsch).
- Prüfen Sie Ampellisten kritisch und bestehen Sie, im Dialog mit den Herausgebern (Kasse, KV), auf eine Korrektur aufgrund von fehlenden Produkten oder falscher Preise.
- Melden Sie nicht korrekte Angaben den Herstellern.
Verhalten im Prüfverfahren
Bei Erhalt eines Prüfungsbescheids sollte die Richtigkeit der im Anschreiben zugrunde liegenden Daten z.B. zur Fachgruppe und die Möglichkeit einer Verjährung geprüft werden. Bei Unregelmäßigkeiten kann ein Antrag auf Fristverlängerung gestellt werden.
In jedem Fall sollte innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Prüfbescheids ein schriftlicher Widerspruch bei der Prüfstelle der KV eingelegt werden. Es bedarf im ersten Schritt keiner Begründung des Widerspruchs, diese kann nachgereicht werden. Für die Anhörung vor dem Beschwerdeausschuss sollte ein Rechtsanwalt mit Erfahrung im Vertragsarztrecht einbezogen werden. Zusätzlich kann Unterstützung durch die KV (Versorgungsmanagement) eingeholt werden.
Relevante Gründe für einen Widerspruch sind u.a.:
- nicht berücksichtigte Praxisbesonderheiten: Textbeispiel „Gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses vom ... wird insoweit Widerspruch eingelegt, als folgende Praxisbesonderheiten nicht oder nicht in vollem Umfang berücksichtigt wurden: (Aufzählung der konkret geltend gemachten Besonderheiten)“
- mangelnde Datenqualität: verhindert die Überprüfbarkeit der Verordnungen (fehlender Versicherungsnummern, PZN, Medikamentenbezeichnung)
Stellungnahme zum Prüfungsbescheid
Die Stellungnahme hat schriftlich zu erfolgen. Eine persönliche Anhörung sieht das Prüfverfahren nicht vor. Es kann Zeit für die Stellungnahme und rechtliche Absicherung gewonnen werden, wenn eine Fristverlängerung von üblicherweise vier Wochen beantragt wird. In der Stellungnahme sollten in Bezug auf Verbandmittelverordnungen die unter dem Punkt Regressvorsorge und Praxisbesonderheiten beschriebenen Aspekte berücksichtigen.
Beschwerdeausschuss
Führt der schriftliche Widerspruch zur Prüfung durch den Beschwerdeausschuss kommt es zu einer persönlichen Anhörung zur Klärung und detaillierten Darlegung widerspruchsrelevanter Behandlungsverläufe bzw. anderweitige Gründe des Widerspruchs. Der Beschwerdeausschuss führt wirtschaftliche Gesamtbetrachtung durch, die nicht nur nach der im Widerspruch aufgeführte Begründungen erfolgt.
Entscheidungsmöglichkeiten des Beschwerdeausschusses:
- Widerspruch wird stattgegeben
- Bestätigung des Prüfungsbescheids
- Minderung des Regresses um Praxisbesonderheiten
- Erhöhung des Regresses nach Wirtschaftlichkeitsprüfung
Der Bescheid des Beschwerdeausschusses hat spätestens 5 Monate nach Sitzung zu erfolgen. Eine weitere Klage gegen den positiven Prüfbescheid des Bewertungsausschusses kann vor dem Landessozialgericht binnen Monatsfrist erfolgen. Diese Klage hat keine aufschiebende Wirkung für den Zahlungszwang des Prüfbescheids.