Die Versorgung mit Verbandmitteln unterliegt wie alle gegenüber gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähigen Leistungen dem Wirtschaftlichkeitsgebot. § 12 SGB V Absatz 1 besagt: Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Daraus ergeben sich die Verpflichtung der verordnenden Ärzte zur Wirtschaftlichkeit bei der Auswahl der Verbandmittel und die Verpflichtung der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) das Verordnungsverhalten auf Wirtschaftlichkeit zu prüfen (§§ 106 und 106b SGB V). Seit 2017 wurde die Regelprüfmethode „Richtgrößenprüfung“ oder Auffälligkeitsprüfung durch je nach KV-Bezirk unterschiedliche Prüfvereinbarungen abgelöst. Bei der regionalen Ausgestaltung kommen verschiedene Prüfmethoden zum Einsatz (z.B. Richtgrößenprüfung, Durchschnittsprüfung oder Prüfung nach Zielwerten). Es sind also die jeweiligen Prüfvereinbarungen der einzelnen KV zu beachten.
Formen der Wirtschaftlichkeitsprüfung
Die Wirtschaftlichkeitsprüfung kann in unterschiedlicher Form erfolgen:
- Einzelfallprüfung: in Bezug auf eine einzelne Verordnung für einen konkreten Patienten, z.B. bei Verordnung nicht erstattungsfähiger Medizinprodukte
- Wirtschaftlichkeitsprüfung: Verordnungsverhalten innerhalb eines Zeitraums auf Grundlage der Arzneimittelvereinbarung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (Durchschnittswertprüfung oder Richtgrößenprüfung)
- Zufälligkeitsprüfung: abgeschafft in 2019 (siehe Terminservice- und Versorgungsgesetz)
- Sprechstundenbedarf:
- Prüfung von Sprechstundenbedarfsverordnungen als Durchschnittswertprüfung für ein Jahr
- Prüfung von Sprechstundenbedarfsverordnungen wegen nicht laut Sprechstundenbedarfsvereinbarung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung verordnungsfähiger Medizinprodukte
Prüfverfahren:
Verbandmittel sind gemeinsam mit Arzneimittel als Leistungsbereich der Gesetzlichen Krankenkassen in § 31 SGB V beschrieben. Die Regeln für die Prüfung der wirtschaftlichen Verordnung von Arzneimittel werden entsprechend auch auf Verbandmittelverordnungen angewendet.
Jede Kassenärztliche Vereinigung (KV) schließt mit den Kassenverbänden eine jährliche Arzneimittelvereinbarung nach § 84 SGB V zur Einhaltung eines begrenzten Verordnungsvolumens aller Vertragsärzte der KV für Arznei- und Verbandmittel ab. Grundlagen für diese Vereinbarung sind die gesetzlichen Bestimmungen nach § 84 Abs. 1 SGB V sowie die Rahmenvereinbarung nach § 84 Abs. 6 SGB V. Die hier festgelegten Wirtschaftlichkeitsziele sollen auf Basis bestimmter Kriterien erreicht werden, diese sind z.B. Analogsubstanzen, Generikaquoten, Tagesdosiskosten, aber auch sogenannte Richtgrößen oder Richtwerte.
Richtgrößen
Eine Richtgröße ist ein statistischer Vergleichswert für das durchschnittliche Verordnungsvolumen eines Patienten pro Quartal. Die Richtgrößen sind für alle Facharztgruppen unterschiedlich und werden teilweise nach Altersgruppen der Patienten, Versichertenstatus oder Arzneimittel-Therapiebereichen unterschieden. Die konkreten und jährlich aktualisierten Richtgrößen sind den Arzneimittel-Vereinbarungen der jeweiligen KV und den zum Teil dazugehörigen Richtgrößenvereinbarungen zu entnehmen. Viele KVen wenden Richtgrößen als statistische Vergleichsgrößen nicht mehr an.
Rahmenvorgaben zu den Prüfvereinbarungen der KVen
Das 2019 in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sieht vor, dass bei Regressen für verordnete Leistungen nicht mehr die gesamten Kosten der als unwirtschaftlich erachteten Leistung erstattet werden müssen, sondern nur noch der Differenzbetrag zwischen unwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Leistung.
Der GKV-Spitzenverband kündigte im März 2021 die Rahmenvorgaben zur Wirtschaftlichkeitsprüfung. Somit sind folgende Regelungen aktuell nicht vertraglich gültig. Da diese Rahmenvorgaben die Rechtsgrundlage für die regionalen Prüfvereinbarungen zwischen den KVen und den Landesverbänden der Krankenkassen darstellen, sind auch diese gegebenenfalls in Zweifel zu ziehen.
In den Rahmenvorgaben wurde unter anderem Folgendes geregelt:
- § 2 Geltungsbereich, Abs. 2, Buchstabe (b): Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V)
- Fristen: Die Nachforderung, muss für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, durch Bescheid der Prüfungsstelle erfolgen. Der Ärztin bzw. dem Arzt ist von der Prüfungsstelle eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen. Diese hat in der Regel sechs Wochen zu betragen; in begründeten Einzelfällen kann diese Frist durch Antrag des Arztes oder der Ärztin bei der Prüfungsstelle verlängert werden.
Umfang der Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch die KV
- Sofern in den regionalen Vereinbarungen statistische Prüfungsmethoden vereinbart werden, sollten vorrangig Auffälligkeitsprüfungen geregelt werden.
- Im Falle von Auffälligkeitsprüfungen sollen maximal 5 % der Ärzte einer Fach- bzw. Vergleichsgruppe geprüft werden. Der Prüfzeitraum soll ein Jahr umfassen.
- Die Durchführung der Prüfung kann auf für die Versorgung relevante Anwendungsgebiete beschränkt werden.
- Die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen sind zu regeln.
- Das Recht auf Vereinbarung weiterer Prüfungsarten bleibt unberührt.
- Ärzte mit einem geringen Verordnungsumfang können von den Prüfungen ausgenommen werden.
Maßnahmen bei statistischen Prüfungen beim Vertragsarzt
- Bei erstmaliger Auffälligkeit bei statistischen Prüfungen erfolgt zunächst eine individuelle Beratung, bevor weitere Maßnahmen festgesetzt werden. Dies gilt für jeden Versorgungsbereich gesondert (vgl. §2 Abs. 2 der Rahmenvorgaben). Es wird hier also z.B. zwischen Prüfung von Heilmitteln und Arzneimitteln unterschieden.
- Eine festgesetzte Maßnahme ist nach 5 Jahren verjährt. Das heißt: Ein Arzt, bei dem vor mehr als 5 Jahren eine Maßnahme festgesetzt wurde, gilt bei erneuter Auffälligkeit wieder als erstmalig auffällig“ und erhält zunächst erneut eine „Beratung vor weiteren Maßnahmen“
- Über weitere Maßnahmen verständigen sich die regionalen Vertragspartner. Eine weitere Maßnahme nach erfolgter Beratung kann entsprechend der gesetzlichen Vorgaben insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder Kürzung sein. In diesem Fall sollen gesetzliche Rabatte und Zuzahlungen berücksichtigt werden.
- Es können Praxisbesonderheiten vereinbart werden. Diese sollen vor Einleitung eines Prüfverfahrens berücksichtigt werden. Darüber hinaus kann der Arzt weitere individuelle Praxisbesonderheiten im Rahmen der Prüfung geltend machen.
Praxisbesonderheit bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden
In den regionalen Prüfvereinbarungen der KV werden die Regelungen der Rahmenvorgaben entsprechend umgesetzt. Damit wird dem geprüften Arzt im Rahmen der Prüfung das Recht eingeräumt individuelle Praxisbesonderheiten geltend zu machen.
Die eventuell bestehende individuelle Praxisbesonderheit im Rahmen der Prüfung sollte der geprüfte Arzt durch den Nachweis der im Prüfzeitraum behandelten Fälle einfordern. Grundlage ist der Vergleich mit den Fallzahlen (ICD für chronische Wunden) von Ärzten derselben Fachrichtung innerhalb der KV. Unterscheiden sich die Fallzahlen erheblich, kann dem geprüften Arzt die erhebliche Mehrbelastung durch die notwendigen Verbandmittelverordnungen als Praxisbesonderheit anerkannt werden.