KOLUMNE AUS DER WUNDVERSORGUNG VON KERSTIN PROTZ
Da es immer wieder Unsicherheiten beim sachgerechten Ausfüllen von Verordnungen für die podologische Therapie gibt, die dann unter Umständen nicht optimale Versorgungen zur Folge haben, sind nachfolgend ein paar Inhalte aufgeführt, die eine solche Verordnung enthalten sollte. Fehlende oder falsche Angaben auf einer Verordnung können dazu führen, dass dem Podologen die Vergütung vorenthalten wird. Podologen gehören zu den sogenannten Heilmittelerbringern und sind auch verpflichtet, die Verordnungen des Arztes zu prüfen.
Die nachfolgenden Informationen basieren auf der Veröffentlichung „Information: Abrechnungsfähige Heilmittelverordnung für podologische Komplexbehandlung“ des Wundzentrum Hamburg e. V. (www.wundzentrum-hamburg.de) und sind in diesem Beitrag zusammenfassend dargestellt und um weiterführende Informationen ergänzt.
Bislang galten podologische Maßnahmen ausschließlich, wenn sie der Therapie von Fußschädigungen dienen, die in Folge eines Diabetes mellitus entstanden sind, als verordnungsfähige Heilmittel. Die podologische Therapie kommt in der Regel bei Menschen mit einem diabetischen Fußsyndrom zur Anwendung, die ohne eine solche Behandlung nachhaltige Folgeschädigungen der Füße, wie Entzündungen und Wundheilungsstörungen erleiden würden.
Im Februar 2020 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Verordnungsfähigkeit von podologischen Maßnahmen erweitert. Die Maßnahmen können zukünftig von allen Betroffenen in Anspruch genommen werden, bei denen nachweislich eine Schädigung des Fußes besteht, die mit dem diabetischen Fußsyndrom vergleichbar ist und auf ähnliche Sensibilitätsstörungen – auch verbunden mit Durchblutungsstörungen – zurückzuführen ist. Maßnahmen der podologischen Therapie sind zukünftig somit auch verordnungsfähig bei Schädigung als Folge:
- einer sensiblen oder sensomotorischen Neuropathie oder
- eines Querschnittsyndroms.
Der Beschluss zur Änderung der Heilmittel-Richtlinie soll in weiten Teilen am 1. Juli 2020 in Kraft treten.
Wenn eine Neuro- und/oder Angiopathie ohne Hautdefekt (Wagner-Stadium 0, d. h. ohne Hautulkus) vorliegt, ist die Verordnung einer podologischen Therapie beim diabetischen Fußsyndrom zulässig. Die Behandlung von Hautdefekten und Entzündungen (Wagner-Stadium 1 bis Wagner-Stadium 5) sowie von eingewachsenen Zehennägeln gilt als ärztliche Leistung.
Diverse Faktoren gelten als Indikationen für die Einleitung einer podologischen Komplexbehandlung bei Menschen mit Diabetes mellitus. Hierzu gehören fortbestehende Druckstellen, Fußdeformitäten, Zustand nach einer Ulkusanamnese im Zusammenhang mit einer sensorischen Neuropathie und/oder einer pAVK. Auch wenn der Patient eine Sehschwäche hat oder gar erblindet ist oder weitere körperliche Behinderungen eine Eigenbehandlung einschränken bis unmöglich machen, ist auf jeden Fall die Hinzuziehung eines Podologen angeraten.
Zu den Folgen des diabetischen Fußsyndroms zählen Hautschäden und Schädigungen der Zehennägel bei nachgewiesenen Gefühls- und/oder Durchblutungsstörungen der Füße. Solche Fehlempfindungen treten infolge von Makro-, Mikroangiopathie, Neuropathie und Angioneuropathie auf.
Ziel der podologischen Therapie ist die Wiederherstellung, Verbesserung und Erhaltung der physiologischen Funktion von Haut und Zehennägeln an den Füßen bei Patienten mit diabetischem Fußsyndrom. Als verordnungsfähiges Heilmittel beinhaltet die podologische Therapie hierfür folgende Maßnahmen:
- Hornhautentfernung (Abb. 1): verdickte Hornhaut ist abzutragen, um Hautschädigungen, wie Fissuren, Ulzera und Entzündungen vorzubeugen. Hierbei erfolgen eine Schälung und ein Schleifen der Haut mit verschiedenen Techniken und Methoden.
Abb. 1: Abtragen von Hornhaut - Kürzen und Feilen der Zehennägel (Abb. 2): bei der Pflege der Zehennägel sind abnorme Nagelausprägungen verletzungsfrei zu beseitigen, um drohende Schäden an Nagelbett und Nagelwall vorzubeugen. Dies erfolgt durch spezifische Techniken wie Schneiden, Schleifen und/oder Fräsen.
Abb. 2: Fräsen der Zehennägel - Hornhautabtragung und Nagelbearbeitung: im Rahmen der sogenannten podologischen Komplexbehandlung erfolgt gleichzeitig eine Hornhautabtragung und die Bearbeitung der Nägel, sofern diese Maßnahmen medizinisch erforderlich sind.
Tritt an einem Fuß mit bereits vorliegenden Hautdefekten und Entzündungen im Bereich Wagner-Stadium 1 bis Wagner-Stadium 5 zusätzlich eine geschlossene Fehlbeschwielung (Wagner-Stadium 0) auf, darf diese ebenfalls durch einen Podologen behandelt werden. Jede Folgeverordnung der podologischen Therapie setzt die erneute störungsbildabhängige Erhebung des aktuellen Fußbefundes voraus, der auf dem Verordnungsvordruck anzugeben ist.
Die Heilmittelrichtlinie definiert die Verordnungsrichtlinien der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Heilmittel und ist im § 92 SGB V verankert. Diese Richtlinie gilt somit auch für die podologische Komplexbehandlung. Diese Therapie wird durch den behandelnden Arzt auf der Rezeptvorlage „Heilmittelverordnung 13“ verordnet. Es wird empfohlen, bei Betroffenen regelmäßig Fuß-, Nagel-, Hautpflege sowie die Behandlung krankhaft verdickter Zehennägel durchzuführen. Zudem werden Nägel behandelt, die dazu neigen, in die Haut einzuwachsen. Darüber hinaus erfolgen eine Inspektion sowie das regelmäßige Abtragen der Hornhaut. Diese Behandlung ist regelmäßig - alle vier bis sechs Wochen - zu wiederholen. Die Kostenübernahme der sogenannten podologischen Komplexbehandlung erfolgt für Wagner-Grad 0 durch die Krankenkasse (Heilmittelbudget). Ab Wagner-Grad 1 gilt die Behandlung von Hautdefekten und Entzündungen sowie eingewachsenen Zehennägeln als ärztliche Leistung. Auch eine Spangenbehandlung (Orthonyxiespangen) ist eine ärztliche Leistung. Hierfür ist ein Überweisungsschein, beispielsweise zum Chirurgen oder Dermatologen auszustellen. Keinesfalls erfolgt eine Verordnung auf Muster 13 oder 16.
Vor der Erstverordnung einer podologischen Therapie erfolgt eine Eingangsdiagnostik. Bestandteil sind - neben dem dermatologischen Befund - folgende Maßnahmen:
- Ein angiologischer Befund bietet Hinweise auf das Vorliegen einer Angiopathie. Hierauf kann ein ABI (Ancle Brachial Index) < 0,9 hindeuten.
- Ein neurologischer Befund weist auf das Vorliegen einer Neuropathie hin. Hinweise geben pathologische Befunde, erhoben mit z. B. dem Semmes-Weinstein Monofilament 5.07, der 128-Hz-Stimmgabel und dem pathologischen Reflexstatus (im Besonderen PSR und ASR). Zudem gilt ein trockener Fuß als vegetatives Zeichen. Ein muskulo-skeletaler Befund des Fußes ergibt sich aus Deformitäten - ggf. als erstes Zeichen einer motorischen Neuropathie.
Jede Folgeverordnung der podologischen Therapie setzt eine erneute Erhebung des aktuellen Fußbefundes voraus. Das Ergebnis muss auf dem Verordnungsvordruck angegeben werden. Das nachträgliche Ausstellen von Verordnungen ist unzulässig. Ein Befund ist grundsätzlich vor einer Verordnung zu erheben.
Hinweise zur korrekten und vollständigen Ausstellung einer Heilmittelverordnung für die podologische Therapie (Abb. 3):
Abb. 3: Beispiel einer Heilmittelverordnung zur KPE
- Das Adressfeld mit aktueller Gebührenpflicht ist vollständig und mittig auszufüllen, alle Kreuze sollten an der richtigen Stelle sein
- Das Ausstellungsdatum muss aktuell sein und darf nicht von der vorherigen Verordnung übernommen werden
- Das Feld „Behandlungsbeginn“ sollte keine Angaben enthalten
- Die Verordnungsmenge umfasst bei einer Erstverordnung drei Behandlungen und bei einer Folgeverordnung sechs Behandlungen Achtung: richtiges Feld ankreuzen!
- Für die gewünschte Therapie ist der erforderliche Indikationsschlüssel anzugeben.
DF a | Hornhautabtragung/-bearbeitung beider Füße |
DF b | Nagelbearbeitung beider Füße |
DF c | Podologische Komplexbehandlung beider Füße |
DF a | Hornhautabtragung/-bearbeitung eines Fußes |
DF b | Nagelbearbeitung eines Fußes |
DF c |
Podologische Komplexbehandlung eines Fußes |
Seit dem 01.07.2014 wird die Diagnose in Form eines ICD-10-Schlüssels angegeben:
E 10.74 | Diabetes mellitus Typ I mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, nicht als entgleist bezeichnet |
E 10.75 | Diabetes mellitus Typ I mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet |
E 11.74 | Diabetes mellitus Typ II mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, nicht als entgleist bezeichnet |
E 11.75 | Diabetes mellitus Typ II mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet |
E 12.74 | Diabetes mellitus in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung, mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, nicht als entgleist bezeichnet |
E 12.75 | Diabetes mellitus in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung (Malnutrition), mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet |
E 13.74 | Sonstiger näher bezeichneter Diabetes mellitus mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, nicht als entgleist bezeichnet |
E 13.75 | Sonstiger näher bezeichneter Diabetes mellitus mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet |
E 14.74 | Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, nicht als entgleist bezeichnet |
E 14.75 | Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus mit multiplen Komplikationen, mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet |
G63.2* | Diabetische Polyneuropathie (E10-E14, vierte Stelle .4+) |
I79.2* | Periphere Angiopathie bei andernorts klassifizierten Krankheiten inkl. periphere diabetische Angiopathie (E10-E14, vierte Stelle .5+) |
Die Text-Diagnose „diabetisches Fußsyndrom mit Neuropathie und/oder Angiopathie“ ist ebenfalls möglich.
Kontaktadressen Podologie
Verband Deutscher Podologen (VDP) e. V.
Obere Wässere 3–7, 72764 Reutlingen
info@verband-deutscher-podologen.de
www.verband-deutscher-podologen.de
Deutscher Verband für Podologie (ZFD) e. V.
Wilhelmshöher Allee 258, 34131 Kassel
info@podo-deutschland.de
www.podo-deutschland.de
Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA). Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL). www.g-ba.de/downloads/62-492-1484/HeilM-RL_2017-09-21_iK-2018-01-01.pdf
G-BA Pressemitteilung: Veranlasste Leistungen - G-BA erweitert Verordnungsfähigkeit von medizinischer Fußpflege: https://www.g-ba.de/downloads/34-215-844/04_2020-02-20_Heilm-RL_Podologie.pdf
Protz K (2019). Moderne Wundversorgung, Praxiswissen, 9.Auflage, Elsevier Verlag, München
Wundzentrum Hamburg e. V.: www.wundzentrum-hamburg.de
Kerstin Protz, Krankenschwester, Projektmanagerin Wundforschung am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Referentin für Wundversorgungskonzepte, Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e. V.